Die Rede ist von Federn in den Teleskopgabeln von Zweirädern, am Beispiel meiner Ducati Monster 1200S aus 2015 mit einer serienmäßig verbauten Öhlins Federgabel. Braucht man dafür einen eigenen Blogartikel? Das kommt darauf an, ob die Gabelfeder an ihrem Kopf so

oder so

markiert ist.
In den Genuss des ersten Falls kommt man regelmäßig, wenn man Gabel und/oder Gabelfedern bei einem Öhlins-Händler im Aftermarket gekauft hat. Hier benötigt man zur Identifizierung nur eine Typentabelle, und kann dann anhand des in die Stirnwindung der Feder eingravierten Schlüssels die relevanten technischen Daten der Feder aus der Tabelle ablesen. Hier der relevante Ausschnitt für serienmäßige Öhlins-Gabeln bei Monster 1200S ’14-’16:

Der Blick in die Typentabelle zeigt, daß es sich bei der zuoberst abgebildeten um eine Gabelfeder der Reihe 04774 handelt, welche Gabelfedern mit Innendurchmesser 25.5 mm und einer ungespannten Länge von 260 mm umfasst, in unterschiedlichen Federraten. Die Federrate der zuoberst abgebildeten Feder beträgt 9.5 N/mm. Wer den Wunsch verspürt, eine andere (härtere, weichere) Feder als die serienmäßige zu verbauen, kann sich aus der Typenreihe 04744 bedienen. Diese sind sämtlich von ihren Abmessungen her kompatibel zur serienmäßig in einer Monster 1200S ’14-’16 verbauten.
Eine vergleichbar komfortable Kennzeichnung habe ich leider bei meiner eigenen Monster nicht vorgefunden. Diese kam zwar bereits ab Werk mit einer Öhnlinsgabel daher, allerdings als OEM-Ausstattung. OEM-Produkte unterscheiden sich häufig von serienmäßig vertriebenen, und man darf annehmen, daß hier gegenüber Serienprodukten einige kostensparende Abstriche vorgenommen worden sind. Es schmerzt zwar, derart mit der Nase darauf gestoßen zu werden, aber na gut – bisher war ich mit meiner Gabel ja trotzdem zufrieden.
Die Strichcodes in Gabelfedern scheinen lt. meinen Recherchen ausschließlich in OEM-Federn verwendet worden zu sein. Und leider habe ich trotz sehr intensiver Suche im deutsch- und englischsprachigen Internet keine Aufschlüsselungstabelle für derartige Strichcodes gefunden. Wohl aber eine Reihe von Abbildungen vergleichbar markierter Gabelfedern von ähnlich ratlosen Besitzern.
Was also tun?
Wenn man die Gabelfeder physisch in Händen hält, kann man sie ausführlich vermessen und auf Basis der Messwerte deren Federrate berechnen. Die Variationen des verwendbaren Materials sind gering, und es liegt sehr nahe anzunehmen, daß herkömmlicher Federstahldraht verwendet wurde. Dessen Schubmodul wird in Veröffentlichungen typisch mit G = 81’500 N/mm2 angegeben.
Ich habe für meine serienmäßig verbaute (OEM-)Feder die folgenden Werte gemessen:
Bezeichnung | Formelzeichen | Einheit | Wert |
Drahtdurchmesser | d | mm | 4.5 |
mittl. Windungsdurchmesser | Dm | mm | 30.0 |
Anzahl Windungen | n | 1 | 18.5 |
ungespannte Länge | l | mm | 260 |
Aus diesen Daten, und unter Verwendung des o.a. Werts für den Schubmodul «G» des verwendeten Werkstoffs ergibt sich mit der einschlägigen Formel für die Federrate:

eine Federrate für die serienmäßig verbaute Feder von
c = 8.36 N/mm.
Diese Berechnungs-Methode ist übrigens nicht Öhlins-spezifisch und lässt sich für Federn beliebiger Hersteller verwenden.
8.36 N/mm ist ein krummer Wert, und ich wusste nicht, ob es sich um eine eher kräftig ausgefallene Feder mit gewollten 8.0 N/mm handelt, oder um eine eher schwächlich ausgefallene Feder handelt, die eigentlich eine mit 8.5 N/mm hätte werden sollen. Denn klar ist, daß Gabelfedern immer einer gewissen Fertigungstoleranz unterliegen.
Um der Sache wirklich auf den Grund zu gehen, habe ich die Feder mit einer bekannten (ausgewogenen) Last belastet und die resultierende Verkürzung ausgemessen. Da es sich um eine Druckfeder handelt, habe ich intuitiv die Prüflast _oberhalb_ der Feder balanciert, was einen sehr prekären und labilen Messaufbau ergab. Immerhin konnte ich so eine Federkonstante in Höhe von
c =
17.2 kg * 9.81 m/sec2 / 21 mm = 8.03 N/mm
ermitteln.
Nun muss man bei dieser Art der «Auswiegung» bedenken, daß Federn immer eine gewisse Nichtlinearität aufweisen. Sei es, daß der Drahtdurchmesser nicht absolut konstant ist, der Windungsdurchmesser oder die Steigung der einzelnen Windungen geringe Schwankungen aufweist. Jedenfalls muss man damit rechnen, daß die unvermeidliche Nichtlinearität dazu führt, daß auf den ersten Millimetern Kompression eine eher zu kleine Federrate ermittelt wird. Dieser Fehler wird kleiner, je mehr man sich bei der Messung dem im realen Betrieb auftretenden Federweg nähert. Für die Monster 1200S wären das 130 mm, von denen ich mit meinen kümmerlichen 21 mm (s.o.) weit entfernt war. Ich bin also nicht schlauer geworden, und gebe mich vorläufig mit einem ungefähren Bereich für die Federrate von ca. 8.0 bis 8.5 N/mm zufrieden.
Diese Art der Messung ist ebenfalls nicht Öhlins-spezifisch, und kann auch für beliebige andere Federhersteller angewandt werden.
Als ich die Gabel schon wieder zusammengebaut hatte, kam mir noch die Idee einer preiswerten Messvorrichtung, mit der ich eine Gabelfeder mit weniger Gefahr näher am tatsächlichen Einsatzbereich hätte belasten können:
Die wesentlichen Bestandteile wären ein Vierkantrohr (Rechteck-oder Quadratquerschnitt) mit mindestens 40 mm Breite (so daß die zu prüfende Feder mit ihrem vollen Durchmesser aufsteht) und etwa einem Meter Länge, sowie eine Gewindestange aus dem Baumarkt. Bei der Gewindestange würde ich mich nicht im Minimalismus versuchen – M12 oder dicker erscheint mir angemessen. Das Vierkantrohr durchbohrt man etwa drei cm von Ende entfernt mit einem Durchmesser etwas größer als die verwendete Gewindestange.
Das Vierkantrohr spannt man mittels zweier Schraubzwingen an der Werkbank fest, so daß die senkrecht angeordnete Bohrung knapp, aber frei über die Werkbank übersteht. Über der Bohrung stellt man die Feder senkrecht auf. Von oben führt man die Gewindestange durch Feder und Vierkantrohr, wobei das Ende der Gewindestange mittels Unterlegscheibe und Stop-Mutter gesichert wird. Etwa so:

Am freien, unteren Ende der Gewindestange befestigt man die gewünschten Gewichte, z.B. eine kleine Quertraverse, auf die man beidseitig selbst mit den Füßen aufstehen kann um die Feder mit seinem eigenen Gewicht zu belasten. Wer eine Scheibenhantel besitzt, kann sich alternativ entsprechende Gewichte nach Wunsch zusammenstellen.
Vorteil dieser Anordnung wäre, daß sich der Gesamtschwerpunkt unterhalb der Feder befindet und sich der Aufbau wie ein Pendel selbst stabilisiert. Auch liessen sich so bedeutend höhere Lasten zur Kompression der Feder aufbringen.
Die Kompression der Feder lässt sich leicht ab Oberkante Vierkantrohr bis Unterkante der oberen Unterlagscheibe ausmessen. Bei Belastung unter Eigengewicht des Fahrers (ca. 80 kg) gelangt man bei einer Feder von 8.0 N/mm in die Größenordnung von rund 100 mm Kompression.