Seit ich das erste interaktive Kugelpanorama im Internet gesehen hatte, war ich davon fasziniert.

Schon bald nach Kauf meiner Sony Alpha 9 Vollformatkamera hatte ich mir daher ein Fischaugen-Objektiv (Samyang 12mm F2.8 ED AS NCS) gekauft, einen «Slant«-Adapter gebastelt und damit bisher gute Ergebnisse erzielt. Wie z.B. das obige Kugelpanorama, welches man offline interaktiv mit dem kostenlosen FSPViewer (Download link) betrachten kann. Für eine interaktive online Version bitte hier klicken.
Die Technik der Erstellung von Kugelpanoramen ist im Internet und in Fachbüchern detailliert beschrieben. Ich persönlich finde das Buch «Panoramafotografie – Der Meisterkurs», ISBN 978-3-8272-4755-1 sehr empfehlenswert und werde dessen Inhalt hier nicht mehr als für das weitere Verständnis nötig duplizieren.
Grundsätzlich benötigt man für ein Kugelpanorama mehrere einander überlappende Einzelfotos, so dass das Innere einer gedachten Kugel um den Blickpunkt des Betrachters damit lückenlos «tapeziert» werden könnte.
Die Einzelfotos müssen für optimale Stitching-Ergebnisse die Bedingung erfüllen, dass sich der No-Parallax-Point für alle Einzelfotos einer Serie mit hoher Präzision in der Größenordnung [10-1 mm] an der möglichst gleichen Stelle im Raum befindet. Da eine derartige Präzision «frei Hand» nicht erreicht werden kann, kommt bei der Erstellung eines Kugelpanoramas regelmäßig ein Stativ mit einem Panoramaadapter zum Einsatz.
Begriffsklärung
Stitching:
Unter «Stitching» versteht man das rechnerische «Vernähen» der Einzelbilder zu einem möglichst fehlerfreien und «nahtlosen» Gesamtbild. Diese Aufgabe wird mittels darauf spezialisierter Software erledigt – ich verwende mit großer Zufriedenheit PTGui in der Vollversion, welches auch Unterstützung fürs Publizieren interaktiver Kugelpanoramen im Web, sowie Spielereien wie «Little Planets» bietet:

Nur der Vollständigkeit halber: es gibt auch andere und vermutlich vergleichbar leistungsfähige Stitching-Software.
Grundsätzlich analysiert jede Stitching Software Paare einander teilweise überlappender Einzelbilder und findet in der Überlappungszone korrespondierende Bilddetails, sogenannte «Kontrollpunkte». Anhand dieser Kontrollpunkte wird dann für jedes Einzelbild die nötige Verzerrung (bzw. Entzerrung) berechnet, so dass sich fehlerfreie Übergänge an den Nahtstellen benachbarter Einzelbilder ergeben. So jedenfalls die Theorie – in der Praxis gelingt dies nicht immer gleich gut.
No-Parallax-Point:
Unter «Parallaxe» versteht man die scheinbare(!) Positionsänderung zweier Objekte relativ zueinander bei Änderung der Beobachterposition. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ein anschauliches Beispiel: Der Leser möge sich den ausgestreckten Zeigefinger einer Hand senkrecht vor die eigene Nasenspitze halten und dann abwechselnd das rechte und dann das linke Auge schliessen: Der Zeigefinger scheint vor einem fernen Hintergrund hin und her zu springen. Und das, obwohl weder Zeigefinger noch Hintergrund beim Wechsel des geschlossenen Auges ihre Position geändert haben. Hier noch eine Grafik zum Thema aus Wikipedia:

Wenn man die Kameraposition zwischen verschiedenen Aufnahmen einer Serie von Einzelbildern zu einem Kugelpanorama derart verändern würde wie in der obigen Illustration abgebildet, dann könnte keine Stitching-Software der Welt die resultierenden Einzelbilder fehlerfrei und nahtlos miteinander verbinden.
Natürlich wird niemand absichtlich die Kameraposition während verschiedener Aufnahmen zu einem Kugelpanorama derart drastisch verändern, also die Positionen «A» und «B» aus der obigen Illustration einnehmen. Unbeabsichtigt passiert dies aber öfter als einem lieb ist …
Klar dürfte jedenfalls geworden sein, dass man auch bei einem Schwenk der Kamera während der Aufnahme einer Serie von Einzelbildern unbedingt vermeiden möchte, dass der «kritische Punkt» des Kamera-Objektiv-Systems eine Ortsverlagerung erfährt. Diesen «kritische Punkt», um den zu schwenken keinerlei derartige Parallaxen hervorruft, nennt man den «No-Parallax-Point». Er wird in vielen Publikationen auch «Nodalpunkt» genannt.
Panoramaadapter (oder auch: Nodalpunktadapter):
Ein Panoramaadapter stellt eine um eine oder zwei Achsen schwenkbare Verbindung zwischen Kamera-Objektiv und Stativ derart her, dass der No-Parallax-Point zu Beginn einer Serie einjustiert werden kann, und sich dann unabhängig von Schwenkwinkeln immer an der gleichen Position im Raum befindet.
Slant-Adapter:
Beim Erstellen eines Kugelpanoramas befindet man sich häufig unter Zeitdruck. Sei es, daß an einer Location eigentlich Fotografierverbot herrscht aber gerade niemand hinschaut, man mit Publikumsverkehr rechnen muss (Leute einem während der Arbeit durchs Bild latschen), eine besonders günstige und flüchtige Beleuchtungssituation ausgenutzt werden soll, z.B. ein Wolkenloch, oder aus anderen Gründen. Das heisst, daß man gerne schnell fertig werden möchte. Dies gelingt am ehesten, je weniger Aufnahmen man schiessen muss und je weniger Einstellungen/Ablesungen man zwischen zwei Aufnahmen vornehmen muss.
Mit einem Vollformat-Fischauge und einem Bildwinkel von 180° in der Diagonalen benötigt man theoretisch nur vier Einzelaufnahmen im Schwenkintervall von 90°, um den vollen Kugelbereich von 360° horizontal und 180° vertikal komplett abzudecken. Weil bei diesem Vorgehen nur der Azimut verändert wird, bei konstantem Höhenwinkel (altitude bzw. eleavtion), spricht man hier von einem «Einzeiligen» Panorama.
Dazu muss man allerdings die Kamera derart um ihre Optische Achse kippen, dass die Sensordiagonale parallel zur Schwenkachse (also i.d.R. senkrecht) steht. Bei einer Vollformat-Sensorgröße von 36 mm x 24 mm ergibt sich ein Kippwinkel von Arctan( 36 / 24) = 56.31° gegenüber der Horizontalen. Dieser Kippwinkel (englisch: «slant») gibt diesem Adaptertyp seinen Namen.
Man kippt in der Regel die Kamera zusätzlich zum Slant-Winkel geringfügig aus der Horizontalen nach oben, um eine zuverlässige Überlappung im Zenit zu erhalten. Dadurch reisst man zwar im Fußpunkt (Nadir) ein kleines Loch auf, aber hier muss ohnehin eine 5. Frei-Hand-Aufnahme einmontiert werden um das ansonsten sichtbare Stativ aus dem endgültigen Kugelpanorama zu entfernen.
Und so sieht mein Hardware-Setup aus, wie oben beschrieben:


Als drehbaren Stativkopf verwende ich einen Eigenbau noch aus meinen Zeiten im Freizeitwerkstatt-Verein Neuhausen, welcher dank einer eingebauten federbelasteten Kugel alle 15°eine Rastposition aufweist. Ich kann damit, ohne eine Winkelskala ablesen zu müssen, alleine durch Zählen von Klicks die gewünschten Schwenkwinkel zwischen zwei Aufnahmen einstellen. Ein kleiner Nachteil ist, daß ich in der Wahl der Schwenkwinkel auf Vielfache von 15° beschränkt bin.
Einjustieren des Slant-Adapters
Wenn man sich meine geklebte und mit mehreren geflickten Fehlbohrungen versehene Konstruktion anschaut, ahnt man, daß ich beim Bau «experimentell» und «iterativ» vorgegangen bin. Aber doch nicht völlig planlos oder unsystematisch:
Ausgehend von der Überlegung, daß sich der Nodalpunkt im Schnittpunkt der (senkrechten) Schwenkachse und der optischen Achse der Kamera befinden muss, habe ich zunächst einmal für eine «Visualisierung» dieser ansonsten unsichtbaren Achsen gesorgt:


Die horizontale Verschiebbarkeit der Grundplatte meines Sperrholz-Adapters in der Arca-Swiss kompatiblen Klemme meines Eigenbau-Stativkopfs erlaubt in einem ersten Schritt, die Optische Achse der Kamera derart quer zur Schwenkachse des Stativkopfs zu verschieben, daß beide einen echten Schnittpunkt aufweisen, also nicht windschief zueinander im Raum verlaufen. In der Visualisierung dadurch erkennbar, daß die beiden kegeligen Metallspitzen sich knapp berühren.

Konstruktive Details der Justierhilfe:
Die Schwenkachse habe ich als schlichten Dorn mit kegeliger Spitze ausgebildet, welchen ich mit dem stumpfen Ende in das zentrische Gewinde der Grundplatte der mit meinem Stativakopf verschraubten Klemme einschraube:


Für den auf die Optische Achse entfallenden Teil der Justierhilfe habe ich einen «dummen» (d.h.: ohne Elektronik) Objektivadapter M42 für Kameras auf Sony E-Mount modifiziert: Den mit Madenschräubchen befestigten «M42»-Einsatz (der silbrige Ring im folgenden Bild) habe ich durch ein eigengefertigtes Drehteil ersetzt, in dem ein Dorn mit kegeliger Spitze axial verschiebbar eingepasst ist:

Eine weitere Überlegung war, daß sich der No-Parallax-Point auf der Optischen Achse befinden muss.
Bleibt die Frage, wie weit das Stativgewinde des Kameragehäuses von der Schwenkachse entlang der Optischen Achse zurückversetzt werden muss, so daß der No-Parallax-Point tatsächlich im Schnittpunkt von Schwenkachse und Optischer Achse der Kamera liegt. Aus Experimenten mit einem (No-Slant) Vorläufer meines jetzigen Adapters hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie weit vor dem Stativgewinde meines A9 Gehäuses in Kombination mit meinem Samyang Fischauge der No-Parallax-Point liegt. An dieser Stelle bin ich dann vom analytischen zum experimentellen Vorgehen übergegangen …
Und tatsächlich habe ich nur drei 😢 Versuche benötigt, bis ich die Bohrung für die Kamera-Befestigungsschraube so im Sperrholz platziert hatte, daß mir der Optimierer von PTGUI Pro eine «sehr gute» Qualität meiner Kontrollpunkte bescheinigte.

Ich habe das für mich als «gut genug» interpretiert. Und da bekanntlich nichts so haltbar ist wie ein Provisorium, habe ich es lange Zeit dabei bewenden lassen. Bis ich neulich das Bedürfnis verspürte, die Bildqualität meiner Kugelpanoramen zu verbessern. Aber das ist eine andere Geschichte …