Nachdem ich in zurückliegenden Beiträgen hier Feder, Dämpfer, Massen und Geometrieeinflüsse einzeln analysiert und die jeweils möglichen Wertebereiche der einzelnen Parameter ermittelt hatte, lag der vorliegende Beitrag irgendwie in der Luft: die Bestandteile wieder in ein virtuelles Schwingungsfähiges Feder-Masse-Dämpfer System zusammenzusetzen.
Der hier vorgestellte Interaktive Federbein-Simulator erlaubt die Vorhersage des Bewegungsverhaltens eines einfachen Feder-Dämpfer-Masse Systems, unter Berücksichtigung von Gefederter und/oder Ungefederter Masse, der Fahrermasse, der Federsteifigkeit, sowie der eingestellten Dämpfungskonstanten, differenziert nach Zug- und Druckstufendämpfung. Selbst die Gleitreibung im Dämpfer kann als Variable in den Simulator eingegeben werden. Alle Parameter können sowohl einzeln, als auch in Kombination miteinander variiert werden, wobei das Resultat jeder Änderung unmittelbar angezeigt wird.
Genug der Vorrede.
zum Interaktiven Federbein Simulator – getestet mit Safari, Firefox, Opera, Chrome.
Eine bebilderte Kurz-Doku mag ich mir dennoch nicht verkneifen:
Zwischen diesen verschiedenen, «reinen» Ausprägungen sind beliebige Mischformen einstellbar, sowohl hinsichtlich Dämpfung und Gleitreibung, als auch bezüglich asymmetrisch gedämpfter Schwingungen: Zugstufendämpfung ungleich Druckstufendämpfung. Hier ein Beispiel einer reinen Zugstufendämpfung, ohne Gleitreibung:

Die Schwingungsamplitude wird hier alleine während jeder Ausfederung reduziert, aber erreicht in jedem Rückschwung (Einfederung) den gleichen Wert wie die vorangegangene Umkehrlage.
Jedes schwingungsfähige System benötigt vor der Ausführung von Schwingungen eine Anregung. Diese ist bei einmaliger Anregung definiert durch eine Kombination aus initialer Auslenkung aus der Ruhe- oder Gleichgewichtslage, sowie ggf. durch eine initiale Geschwindigkeit:
Hier, der Vollständigkeit halber, die Auswirkung unterschiedlicher Start-Geschwindigkeiten. Für das allgemeine Verständnis ist dieser Parameter eher unbedeutend, und kann lange Zeit auf dem Wert «Null» belassen werden.
Zugrundeliegende Mathematik/Physik
Im Grunde steckt hier keine «rocket science» dahinter. Das Modell des Feder-Dämpfer-Masse Systems ist ein vereinfachendes, dessen Bewegungsgleichung, bzw. Differenzialgleichung allgemein bekannt ist.
Herrn Newton verdanken wir die Erkenntnis, daß die Beschleunigung einer Masse der auf sie wirkenden Summe aller Kräfte entspricht.

Ich habe diese Summe der Kräfte (rechte Seite der obigen Gleichung) um einen fixen Term «Gleitreibungskraft» ergänzt, welcher die Summe der Kräfte (Dämpfungskraft + Federkraft) ergänzt, also jeweils entgegen der Bewegungsrichtung wirkt. Die Gleitreibungskraft kann dazu führen, das das schwingungsfähige System nicht mehr in die Gleichgewichtslage zurück findet, sondern in einer «gespannten» Lage zur Ruhe kommt! Was vermutlich jeder Biker bestätigen kann, der sein geparktes Bike vom Seitenständer aufnimmt und ein leicht «ruckartiges» Einsacken registriert.
Und dann habe ich noch den konstanten Dämpfungskoeffizienten durch einen ersetzt, welcher je nach Vorzeichen der Bewegungsrichtung entweder durch den Dämpfungskoeffizienten der Zugstufe, oder aber durch den der Druckstufe ersetzt. Das ist eigentlich schon alles.
Daß die verschiedenen Eingabeparameter sich teils auf den Dämpfer, teils auf die Hinterachse beziehen, wird im Federbein-Simulator durch den Umrechnungsfaktor «Hebelverhältnis» berücksichtigt, dessen voreingestellter Wert von 2.5 für eine Ducati Monster 1200S passt (25 mm Hub an der Hinterachse entsprechen 10 mm Hub des Dämpfers). Auch wird intern natürlich mit kohärenten SI-Einheiten gerechnet, also z.B. mit einer Federsteifigkeit von 90.000 N/m, selbst wenn beim Eingabewert die geläufigere Einheit von 90 N/mm verwendet wird.
Nun kann man lange mit den unterschiedlichsten Parameterkombinationen «spielen». Die Frage der Bewertung der jeweiligen Ergebnisse habe ich der Kürze wegen zunächst offen gelassen. Wenn Interesse besteht, würde ich einen entsprechenden Beitrag hier nachreichen. Als kleine, rein visuelle Unterstützung bei der Bewertung eines Schwingungsverlaufs habe ich den Parameter «Toleranzband» eingefügt:

Eine rein gedämpfte Schwingung ohne Reibungseinfluss klingt erst nach unendlich langer Zeit bis auf Null ab. So lange möchte natürlich niemand warten. Aber für viele Zwecke reicht es, wenn eine Schwingung «weit genug» abgeklungen ist. Das horizontale Toleranzband mit einstellbarer Dicke markiert den Bereich, der als «akzeptabel» gelten soll. Die senkrechte Cursor-Linie markiert den Zeitpunkt, an dem der Schwingungsverlauf _letztmalig_ in dieses Toleranzband eintritt und von da an immer darin verbleibt. Zumindest bis zur nächsten Bodenwelle …
Eine gute und halbwegs verständliche Darstellung der Schwingungslehre findet sich z.B. hier.
Sollten darüberhinaus Fragen auftauchen, liefere ich gerne zusätzliche Erklärungen.
Meta: Technik
Wenn man interaktive Webanwendungen wie den vorliegenden Federbein-Simulator entwickelt, ist man bald mit dem Phänomen der unvollständigen Spezifikation der jeweiligen Web-Standards konfrontiert. Die diversen Browser-Hersteller (z.B. Apple, Google, Microsoft, Mozilla etc.) nutzen die sich daraus ergebenden Freiräume auf unterschiedliche Weise. Für den Besucher einer Webseite bedeutet das ein unterschiedliches Anwender-Erlebnis, auf neu-deutsch «user experience» genannt, abhängig davon, welchen Browser er verwendet.
Betroffen sind hier die numerischen Eingabefelder für die diversen Parameter des interaktiven Federbein-Simulators, speziell ihre Reaktion auf Benutzereingaben in Form von Mausklicks, Mausrad-Events, Tastatureingaben, sowie Wisch- oder Scrollgesten auf Trackpads. Nicht alle Eingabemöglichkeiten werden in meiner Anwendung auf allen Browsern unterstützt.
Hier eine Übersicht dessen, was ich getestet habe und welche Funktionalität der Leser mit welchem Browser erwarten kann:
