In meinem vorigen Beitrag erwähnte ich eine kleine aber (wie ich finde:) feine Konstruktionsänderung, die ich bei meinem Flammenfresser Jarne vorgenommen habe. Es handelt sich um die Befestigung der Schwungräder auf der Kurbelwelle mittels Spannsätzen, anstatt per Madenschraube.

Grafik: modifiziert aus Bausatz Jarne von Bengs Modellbau
Schwungradbefestigung mittels Madenschrauben

An der Befestigung mit Madenschrauben hätten mir mehrere Aspekte nicht gefallen:
Zum einen ist das positionsgenaue Einbringen einer Bohrung schräg in die gewölbte Oberfläche der Nabe des Schwungrads grundsätzlich schwierig – der Bohrer neigt zum Verlaufen. Zweitens erfolgt die Momentenübertragung zwischen Welle undNabe lediglich in dem Punkt, in dem die Madenschraube sich in die Welle gräbt. Das ist unter rein akademischen Gesichtspunkten unschön und nicht sachgerecht: die Welle wird nicht gleichmässig belastet und zudem lokal plastisch verformt, und die Nabe wird ebenfalls asymmetrisch in einem Punkt am Umfang geschwächt. Beim Lösen der Madenschrauben-Verbindung bleibt ein kleiner Krater in der Welle zurück, welcher bei einer Demontage die auf Passung geriebene Bohrung des Schwungrads verletzt. Die übertragbaren Drehmomente sind bei einer Befestigung mittels Madenschraube arg begrenzt, weswegen diese Methode im «richtigen» Maschinenbau auch nicht angewandt wird.
Für die Madenschraube spricht eigentlich nur, dass sie ein konkurrenzlos preiswertes €-Cent Bauteil ist und lediglich für kleine Momente in billigen Kleingeräten in Frage kommt.
Schwungradbefestigung mittels Spannsätzen
Die von mir gewählten Spannsätze aus dem Industriebedarf bestehen aus zwei am Umfang in Achsrichtung geschlitzten Ringen, welche über konische Kontaktflächen ineinander geschoben werden und durch am Umfang verteilte axiale Verschraubungen gegeneinander verspannt werden.


Durch das Aufgleiten der konischen Kontaktflächen aufeinander wird der geschlitzte Aussenring aufgeweitet und der geschlitzte Innenring zusammengedrückt. In der Folge stellt sich eine Flächenpressung zwischen Aussenring und Nabe, sowie zwischen Innenring und Welle ein. Es resultiert eine kraftschlüssige, flächige Verbindung zwischen Welle und Nabe. Für eine ø6 mm Welle können beim spezifizierten Anzugsmoment der drei M2.5 Schrauben der Festigkeitsklasse 12.9 von jeweils 1.2 Nm mit einem dieser Spannsätze erstaunliche 9 Nm Drehmoment und 3 kN Axialkraft übertragen werden. Das würde ich einer Madenschraube nicht annähernd zutrauen.
Zwar wird Flammenfresser «Jarne» ganz sicher keine Drehmomente entwicklen, die auch nur annähernd die Festigkeit dieses Spannsatzes erfordern, aber es freut den Modellbauer und Maschinenbauer in mir, wenn das Funktionsmodell konstruktiv mit seinen grossen Geschwistern aus dem «echten» Maschinenbau mithalten kann.
Rein zufällig ergab es sich, dass dieser Typ Spannsatz beim vorliegenden Wellendurchmesser von 6 mm mit drei am Umfang angeordneten Spannschrauben sehr gut und symmetrisch mit den sechs-speichigen Schwungrädern harmoniert. Das sieht im montierten Zustand so aus:

Insgesamt finde ich, dass der Spannsatz die wuchtige Nabe des ø140 mm Schwungrads sehr vorteilhaft aufwertet und die vergleichsweise mickerige ø6 mm Welle fast vergessen lässt.
Der Preis für diese Eitelkeit: insgesamt rund CHF 90.- (inkl. Versand und Kleinmengenzuschlag). Zusätzlich noch eine aufwändige Sonderbearbeitung der Schwungräder. In der ursprünglichen Bearbeitung hatte ich den (inzwischen glänzenden) Aussenring bearbeitet, sowie in gleicher Aufspannung die Bohrung für die Welle eingebracht und auf ø6H7 aufgerieben, mit dem Resultat von zunächst Null Höhenschlag.
Die wegen der Verwendung von Spannsätzen erforderlich gewordene, zusätzliche zylindrische Ausdrehung der Nabe von ø16 mm und 12 mm Tiefe erforderte eine erneute Einspannung des Schwungrads. Da hierbei die nicht feinbearbeiteten (nicht geschliffenen) Aussenflächen der Spannbacken des Dreibackenfutters auf ebenfalls unbearbeitete Gussoberflächen auf der Innenseite des Aussenrings trafen, war ein Höhenschlag im Bereich von ein paar 1/10 Milimetern quasi vorprogrammiert. Ich entschied mich, dies in Kauf zu nehmen und primär jeglichen Seitenschlag (Taumeln) zu vermeiden. Anstatt aufwändiger Ausrichtung mittels Messuhr habe ich eine Abkürzung per Anschlag an den geschliffenen Stirnflächen der Spannbacken des Dreibackenfutters und den bearbeiteten Seitenflächen des Schungrad-Aussenrings gewählt und damit sehr brauchbare Ergebnisse erzielt:

Für die Ausdrehung selbst haben mir die Vollhartmetall Mini-Bohrstangen von Modellbau Bengs gute Dienste geleistet:


Bei der ersten Montage von Schwungrad mittels Spannsatz auf der Welle dann die Ernüchterung: das Schwungrad, welches während der Bearbeitung auf der Drehbank keinerlei Seitenschlag gezeigt hatte, legte im montierten Zustand ein ausgeprägtes Taumeln an den Tag. Beim zweiten Schwungrad exakt das gleiche Verhalten 😭
Als Ursache erkannte ich schliesslich, dass es einen Konflikt gab zwischen der Zentrierung des Schwungrads auf der Rest- ø6H7 Bohrung einerseits und der Zentrierung durch den Spannsatz andererseits. Nach Aufbohren der 6H7 Bohrung auf ø6.5 mm und erneuter Montage war dann das Taumeln restlos verschwunden. Puh!
Demontage von Spannsätzen
Ein zusätzlicher Vorteil der Verwendung von Spannsätzen für die Montage von Naben auf Wellen ist deren problemlose Demontierbarkeit: Nach Lösen aller axialen Verschraubungen bleibt die radiale Verspannung zwischen Innen- und Aussenring des Spannsatzes zwar wegen der Selbsthemmung aufgrund der sehr flachwinkligen Kegelflächen zunächst erhalten. Um die Verspannung von Innen- und Aussenring zu lösen, werden zuerst alle drei Spannschrauben aus den Durchgangslöchern des Aussenrings entfernt. Danach dreht man zwei von ihnen in die Gewinde des Aussenrings und kann so den Aussenring vom Innenring «abdrücken». In meinem Fall genügt, nach handfestem eindrehen, eine knappe weitere Umdrehung mittels Inbusschlüssel um die Verspannung vollständig zu lösen. Faszinierend einfach!

Lessons learned
Die Verwendung eines Spannsatzes für die Befestigung eines Schwungrads auf einer Welle ist m.E. nach eine tolle Sache die ein Modell sowohl technisch als auch optisch aufwertet. Die problemlose Einstellbarkeit, sowohl von axialer Position als auch Winkellage und die ebenso völlig problemlose und spurlose!Demontierbarkeit lassen für meine Begriffe nichts zu wünschen übrig.
Ich war anfangs nicht sicher, ob ich die empfohlenen Passungsanforderungen H8/h8 für den gewählten Spannsatz mit meiner Hobby-Ausrüstung würde einhalten können. Zum Glück hat die Silberstahlwelle bereits als Halbzeug eine geschliffene Oberfäche in h8 Toleranz, aber die von mir in die Nabe eingebrachte zylindrische Ausdrehung mit ø16 mm hatte schlussendlich ein Übermass von sogar 0.10 mm – eigentlich erheblich zuviel für H8 (Grenzmass: 16.027 mm) , aber auch dieses Spiel konnte der Spannsatz problemlos überbrücken.
Wesentliche Aspekte eines Plans erst relativ spät im Projektverlauf zu ändern ist nie gut. Meine späte Entscheidung, von Madenschraube auf Spannsatz zu wechseln, hat dem Rundlauf der beiden Schwungräder nicht gut getan, auch wenn es nicht taumelt, dafür aber nun einen leichten Höhenschlag aufweist. Beim nächsten Modell würde ich sicher alle wesentlichen Bearbeitungen eines Schwungrads in der gleichen (d.h.: ersten) Aufspannung vornehmen. Vielleicht beisse ich doch noch in den sauren Apfel und fertige die beiden Schwungräder aus neuen Rohlingen nochmals neu an.