«Jarne» Schlüsselstellen

Meine Bestellung vom Bausatz «Jarne» von Bengs Modellbau kam wie immer bestens verpackt und in Top Zustand bei mir an.

Jarne Schlüsselstellen bereits bewältigt

Natürlich habe ich den Karton mit dem Bausatz «Jarne» gleich geöffnet und grob gesichtet. Schon bei ungeöffnetem Karton wird klar: mit 6.5 kg Bausatzgewicht hat man ein Respekt-einflössendes Schwergewicht vor sich, welches gegenüber Danni mal gleich in einer (oder zwei?) höheren Ligen spielt. Die grössten Kaliber sind mit ø 140 mm die beiden unbearbeiteten Schwungräder, sowie der ø 60 mm Kühlmantel aus Alu. Ich war entsprechend beeindruckt, um nicht zu sagen: eingeschüchtert. Als ich Herrn Bengs ein erstes feedback per email gab, wusste er mich zu beruhigen: die genannten Bauteile, Schwungräder und Kühlmantel, seien die grö[b| s]sten Kaliber, und danach sei alles Weitere wieder wie gewohnt «kleinteiliger» Modellbau.

Ich hätte mich vermutlich zu Tode geärgert, hätte ich zuerst die kleinteiligen Arbeiten erfolgreich erledigt um dann später erst festzustellen, dass ich an den Schlüsselstellen scheitern würde. Also beschloss ich, die schwierigsten Schritte zuerst anzugehen. Hilft ja nix, das vor sich her zu schieben.

Schlüsselstelle No.1: die Schwungräder

Nun muss ich an dieser Stelle daran erinnern, dass ich nur eine kleine Drehmaschine besitze, mit 90 mm Spitzenhöhe. Das ergibt zwar rund 180 mm Durchmesser über Betthöhe, aber darauf ein Schwungrad mit ø 140 mm zu bearbeiten ist trotzdem nicht ganz trivial, wenn man nur ein ø 100 mm Dreibackenfutter zur Verfügung hat. Da das Schwungrad im wesentlichen aussen an seiner Mantelfläche und seitlich an den Stirnseiten des Reifs bearbeitet werden muss, verbietet sich eine Aufspannung von aussen, welche ich beim ø 100 mm Durchmesser meines Dreibackenfutters ohnehin nicht hingekriegt hätte. Und dann muss ja auch noch der Weg des Querschlittens ausreichen, um einen eingespannten Drehstahl von aussen an einen Werkstückdurchmesser von ø 140 mm heranführen zu können.

Ich musste tief in meine noch nicht so prall gefüllte Trickkiste greifen, um mit quer eingespanntem, linkem Drehstahl doch noch ans Ziel zu kommen. Bei Spannung von innen reduziert sich der zu spannende Durchmesser übrigens auf < 120 mm:

So kanns gehen: mit quer eingespanntem linkem Drehstahl Aussenbearbeitung von Kalibern >> Dreibackenfutter-ø

Da für diese Art von Bearbeitung noch keine bearbeitete Referenzkante/-fläche am rohen Stahlguss-Schwungrad zur Verfügung stand, habe ich vorab mittels Messuhr und leichten Schlägen mit einem kleinen Hammer das unbearbeitete Schwungrad auf kleinstmöglichen Seitenschlag (Taumeln) ausgerichtet, bevor ich es vor der eigentlichen Bearbeitung richtig fest-«geknallt» habe:

Ausgerichtet auf minimalen Seitenschlag von ≈ 0.1 mm

Den Höhenschlag hatte ich dabei völlig ausser Acht gelassen, und so begab es sich, dass ich den Durchmesser von Jarnes erstem Schwungrad bis zur vollständigen Ausarbeitung von derartigen «Rest-Placken» …

Gussoberflächen weisen eine beachtliche Makro-Rauhigkeit auf

… bis auf ziemlich genau ø 139 mm herunter abarbeiten musste. Technisch gesehen ist es zwar schade, ausgerechnet am Schwung-mässig effektivsten Aussendurchmesser Material abzugeben, aber rein optisch war es mir wichtig, makellos spiegelnde Mantelflächen der Schwungräder quasi als Visitenkarte des Modells präsentieren zu können.

Immerhin war die erste Seitenfläche des Reifs dann bereits nach nur zwei Zustellungen von jeweils einem Zehntel mm vollständig plan gedreht.

In dieser Aufspannung habe ich dann auch noch das Schwungrad durchbohrt, nach «Anbohren» mit Zentrierbohrer ø 2.5 mm, und Durchbohren mit Spiralbohrer ø 5.8 mm. Das anschliessende Reiben mit einer Reibahle ø 6H7 ergab erstaunlich wenig Abrieb, so dass ich beschloss, das zweite Schwungrad nur auf ø 5.6 mm zu bohren.

Gedreht, geschliffen und poliert

Nach dem Abdrehen habe ich die bearbeiteten Oberflächen des noch eingespannten Schwungrads mit 400er, 800er und 1200er Schleifpapier fein geglättet und ihnen zum Schluss noch ein kleines Autosol®-Finish gegönnt.

Vor der Bearbeitung der Rückseite (2. Seitenfläche) habe ich das Schwungrad erneut ausgerichtet, aber diesmal «von hinten» gegen die bereits bearbeitete Stirnfläche, um auch noch Breitenschwankungen der Mantelfläche zu vermeiden:

Bearbeitung der 2. Seitenfläche mit 1. Seitenfläche als Referenzebene

Die Bearbeitung des zweiten Schwungrads verlief analog und ebenso komplikationslos. Die Bohrung mit ø 5.6 mm ergab dann wie erwartet eine angemessene Portion Abrieb beim Reiben der Bohrung auf ø 6H7.

Also Schlüsselstelle No. 1 gemeistert. 💪😊

Schlüsselstelle No. 2: der Kühlmantel

Schlüsselstelle 2, der Kühlmantel, erwies sich aus anderen Gründen als anspruchsvoll. Beim Rohling handelt es sich um ein Aluminium-Rundmaterial mit ø 60 mm, welches auf (fast) seiner gesamten Länge auf einen Innen-ø von 40 mm gebracht werden muss.

Zeichnung von Kühlmantel «Jarne» (Quelle)

Das auch noch mit Präzision und glatter Oberfläche, um als Dichtfläche gegenüber zwei O-Ringen den Kühlwasserinhalt zwischen nasser Zylinderbuchse (Stahl) und Kühlmantel (Aluminium) dicht einzuschliessen.

Meister Bengs empfiehlt hierzu lapidar, den Rohling «mit dem grösstmöglichen Durchmesser zu durchbohren», danach mit einer Bohrstange auszudrehen. Er illustriert dieses Vorgehen in der Sektion seiner Webseiten mit den Bauberichten mit einer Abbildung dessen, wie er sich das vorstellt, bzw. mit seinem Werkzeug- und Maschinenpark gelöst hat:

Kühlmantel ausdrehen a la Bengs (Bildquelle)

Offensichtlich hat seine Drehmaschine ein Dreibackenfutter mit ø 160 mm oder mehr, was für mein Verständnis bereits jenseits einer «kleinen», bzw. «mittleren» Drehmaschine liegt. Die Grösse des abgebildeten Dreibackenfutters lässt zumindest erahnen, welche übrigen Spezifikationen seine abgebildete Drehmaschine aufweist.

Das Problem ist für mich an dieser Stelle ein doppeltes:

  1. mein dickster Bohrer hat einen Durchmesser von gerade einmal 13 mm. In ein derartiges Löchlein kann man die abgebildete Bohrstange sicher nicht einführen, selbst wenn man ein derartiges Kaliber in seinem Fundus hätte.
  2. Der Oberschlitten meiner Drehbank ist mit einem maximalen Hub von 85 mm angegeben. Und das ist sehr grosszügig gerechnet: der fixe, mit dem Querschlitten meiner Drehbank fest verbundene Teil des Oberschlittens, ist nur 80 mm lang, der bewegliche Oberschlitten 120 mm lang. Um da 85 mm Hub herauszukitzeln, muss man den Oberschlitten bis auf nur noch 35 mm Überlappung der Schwalbenschwanzführung zwischen Schlittenunter- und -oberteil ausfahren. Mit entsprechend reduzierter Führung und radialem Spiel an der Schneidkante des Drehstahls. Unter Präzisionsaspekten ein Alptraum!

Ich habe das Problem Nr. 1 dadurch entschärfen können, dass ich mir einen kleinen Drehstahl für kleinste Innendurchmesser ab 13 mm zugelegt habe. der ist natürlich zu kurz, um damit 85 mm in einem Rutsch zu bearbeiten, ganz unabhängig vom Hub meines Oberschlittens. Also habe ich, um Problem Nr. 2 zu addressieren, die Innenbearbeitung bis auf einen Innendurchmesser von ca. 33 mm in zwei Aufspannungen (und Wenden des Werkstücks) bis jeweils leicht jenseits der Mitte (in Axialrichtung des Rundmaterials gesehen) aufgeteilt.

Danach konnte ich dann mit einer grösseren Bohrstange mit ø 12 mm weiterarbeiten. Da ich bis hierher ohnehin schon den Kühlmantel mehrfach umgespannt hatte um ihn bis in die grobe Nähe des ersten Endmasses (Innen-ø 34 mm) zu bringen, bin ich im Folgenden vom empfohlenen Bearbeitungsgang abgewichen und habe zuerst den Zylinder (Teil 3) fertig bearbeitet.

Zylinderaussendurchmesser 40.0 mm ist per Halbzeug vorgegeben

Der Grund hierfür ist, dass mir Messmittel für Innendurchmesser in einer «tiefen» Bohrung fehlen. Und so wollte ich den fertig bearbeiteten Zylinder als «Lehre» verwenden, um mich schrittweise in kleinsten Schrittchen der gleichzeitigen Durchmesserpassung (in der folgenden Iluustration rot markiert) an gleich drei Stellen zu nähern.

Zylinder: dunkelgrau, Kühlmantel: hellgrau, Kühlwasser: blau

Mit Passung 1 fing ich an, die war die einfachste. Hier konnte ich mich mit einer kurz eingespannten Vollhartmetall-Minibohrstange in kleinsten Schrittchen der Passung annähern. Erleichternd kam dazu, dass diese Passung im Grunde garkeine Funktion hat, sondern lediglich über die oben gelb markierte Kante als «Anschlag dient, damit man den Zylinder nicht zu tief durch den Kühlmantel durchstecken kann. Also genügt eine Spielpassung, sie sollte halt nicht erkennbar «schlackern»:

Pasung 1: passt!

Dann den Kühlmantel umgespannt (gewendet) und mich der Passung 2 gewidmet. Hier konnte ich wieder die sehr gute Zugänglichkeit (und Messbarkeit) ausnutzen. Allerdings waren hier die funktionalen Anforderungen bereits höher, da es sich um die Gegenfläche der 1. O-Ring Dichtung handelt. Aber im Grunde lösbar:

Auskragung nur 4.0 mm

Zudem reicht die Auskragung der Schneidkante meiner Bohrstange mit ziemlich genau 4.00 mm gerade einmal aus, um von einer «offenen» Bohrung aus einen knapp(!) 8.00 mm grösseren Durchmesser auszudrehen. Vom ø 34.0 mm Durchmesser aus hatte ich daher keine Chance, die «Rampe» am nun fernen Ende zu einem kantigen Übergang auszudrehen, weil der Schaft der Bohrstange voher bereits mit dem Bohrungsumfang kollidierte. So blieb es bei einer kleineren Ausdrehung auf etwa ø 46 mm, mit Rest-Rampe am fernen Ende.

Als «Nachtisch dann die Passung 3: ich hatte mir das benötigte Tiefenmass bis zum Erreichen der gelben Kante (siehe vorige Grafik) gemerkt, und auch die Einstellung des Querschlittens für Passung 2. Leider ergab sich so bereits beim ersten Durchlauf ein vollständiger Freigang für den Zylinder über die gesamte Länge, sodass ich keine Aussage darüber machen kann, wie gross denn nun das Spiel bei Passung 3 tatsächlich ausgefallen ist. Rein akademisch ist das unbefriedigend. Funktional ist es trotzdem unkritisch, weil ich notfalls (im Falle einer Undichtigkeit) in den Querschnittsübergang von ø 40 mm auf ø 34 mm an der gelben Kante der vorigen Grafik eine Raupe aus Hylomar einlegen kann, welche evtl. Undichtigkeiten am dortigen O-Ring zuverlässig abfangen wird.

Alles in Allem würde ich zusammenfassen, dass auch Schlüsselstelle No. 2 bewältigt ist, wenn auch vielleicht mit einem kleinen blauen Auge.

*Wärmehaushalt Jarne

Dann hat mich noch die Frage beschäftigt, ob es wirklich «egal» ist, ob man den Kühlmantel grossräumig ausdreht oder ihn innen glatt belässt.

Offenkundig «lebt» ein Flammenfresser davon, dass er den Temperaturunterschied zwischen einer heissen und einer abgekühlten Zylinderfüllung ausnutzt. Je grösser diese Temperaturdifferenz ist, umso effizienter wird er laufen und umso mehr Kraft wird er entwickeln. Da der Flammenfresser in jeder Umdrehung sehr heisse Luft ansaugt, wird sich sein Zylinder im Laufe der Zeit so lange immer weiter erwärmen, wie das Mass der Wärmezufuhr (per Fressen von Flammen) das Mass der Wärmeabgabe (durch Abstrahlen an die Umgebung) übersteigt.

Da ein Temperaturanstieg des Zylinders seine Fähigkeit verringert, die angesaugte Heissluft abzukühlen, reduziert sich der Wirkungsgrad und die Kraft des Motors, bis hin zum möglichen Stillstand. Also ist man um eine Kühlung des Zylinders bemüht. Hier kommt nun der Kühlmantel ins Spiel. Da der Kontakt zwischen Kühlmantel und Zylinder allenfalls punktuell stattfindet, über O-Ringe und drei Spielpassungen, und Luftspalte hervorragende Wärmeisolatoren darstellen, kann der Kühlmantel vorerst nicht entscheidend zur Kühlung beitragen. Dies ändert sich erst durch eine Wasserfüllung des dafür vorgesehenen Hohlraums. Der Wärmetransport findet nun von der Zylinderaussenwand ans Kühlwasser, und von dort an den Kühlmantel statt. Dieser wiederum strahlt seine Wärme an die Umgebung ab.

Nach meiner Einschätzung ist die «Dicke» der Kühlwasserschicht so gut wie irrelevant für diesen Wärmetransport.

Wenn man die Haare noch feiner spalten möchte und berücksichtigt, dass vorliegend keine Wärme durch eine Zirkulation von Kühlwasser zu einem z.B. externen Wärmetauscher abtransportiert wird, sondern dass es sich bei Zylinder, Wassermantel und Kühlmantel rein um Massen (bzw. Volumina) mit einem bestimmten Wärmeaufnahmevermögen handelt, dann würde ein durch tiefere Ausdrehung im Aluminiummantel dickerer Wassermantel tatsächlich höhere Wärmemengen speichern können als ein Vollmetallzylinder, siehe folgende Tabelle:

MaterialSpezifische (Masse-bezogene)
Wärmekapazität [J/ (kg*K)]
Spezifisches
Gewicht [kg/ m3]
volumetrische
Wärmekapazität [J/ (m3*K)]
Stahl4777’8503’744’450
Aluminium9002’7502’475’000
Wasser4’1901’0004’190’000
Hinsichtlich volumetrischer Wärmekapazität lohnt es sich, Aluminium durch Wasser zu ersetzen.

Aus den weiter oben genannten Gründen sollte man es auf jeden Fall vermeiden, «Jarne» ohne Wasserfüllung oder nur mit einer Teilfüllung zu betreiben.

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