in meinem vorigen Beitrag hatte ich grossen Wert auf die Einhaltung (bzw. Herstellung!) von Symmetrie in Bezug auf Kolbenhub im Zylinder, sowie Schieberkolbenhub im Schieberkasten gelegt.

grün: Hub von UT zum OT; blau: Hub vom OT zum UT
Für eine erste Grob-Optimierung halte ich das weiterhin für einen guten Ansatz. Dabei geht es mir nicht um den ästhetischen Reiz von Symmetrie, unter anderem auch deswegen nicht, weil der Kolben im Zylinder und der Schieber im Schieberkasten im realen Modell ohnehin nicht sichtbar sind. Anders liegt der Fall zwar in meiner Interaktiven 3D Simulation und Animation von Danni, die teilweise mit transparentem Material und Schnitten arbeitet. Aber wie gesagt, Ziel ist nicht das gefällige Aussehen.
Sondern die funktionale Optimierung mit dem alleinigen Zweckt, die niedrigst-mögliche Drehzahl für einen gerade noch stabilen Lauf von Danni zu erreichen. Meiner Theorie nach erreicht Danni seine niedrigst-mögliche Drehzahl genau dann, wenn die Widerstände, die einer Drehbewegung entgegenstehen, möglichst gleichmässig über eine komplette Kurbeldrehung verteilt sind. Mit anderen Worten: es darf mechanisch nirgendwo klemmen oder überdurchschnittlich schleifen. Das ist mal das Mindeste.
Und dann gibt es noch «antriebslose» Winkelintervalle während eines Kurbelwellenumlaufs, nämlich genau um die beiden Totpunkte des Kolbens herum. Diese müssen alleine durch die im Schwungrad gespeicherte Energie überwunden werden. Je langsamer Danni läuft, umso weniger Energie steht folglich dafür zur Verfügung.
Bei korrekt eingestelltem Exzenter steht dessen Grösstradius bei horizontaler Kurbel genau senkrecht, also mit 90° Phasenwinkel zum Kurbelwinkel, den ich mit 0° ab OT zähle. Von den «antriebslosen» Winkelintervallen gibt es während eines vollen Kurbelumlaufs genau zwei, nämlich im OT und im UT des Kolbens. In diesen Totlagen des Kolbens muss sich der Schieber für symmetrische Steuerzeiten exakt in seiner Mittellage befinden:

In der Umgebung der Totpunkte des Kolbens findet nämlich der Wechsel der Druckluftversorgung von einer Zylinderkammer auf die jeweils andere statt.
Zur Erinnerung:
in der Dampfmaschine Danni von Bengs Modellbau (und vermutlich auch in jeder anderen Dampfmaschine mit doppelt-wirkendem Kolben) bewegt sich der Kolben in seinem Zylinder hin und her, und unterteilt dabei den Zylinderraum in zwei Kammern sich ständig verändernder Grösse. Der Kolben bewegt sich aufgrund einer Druckdifferenz in seinen beiden Kammern. Weil die eine Seite mit Druckluft (oder dem namensgebenden, unter Druck stehenden Dampf) beaufschlagt wird, während gleichzeitig die andere Kammer quasi-drucklos in die Atmosphäre entlüftet wird. In den Totpunkten wechseln die beiden Kammern ihre Rollen. Für die Umschaltung der Druckluftversorgung von einer Kammer auf die andere wird ein gewisses Kurbelwinkelintervall benötigt, innerhalb dessen keine der beiden Kammern mit der Druckluft verbunden ist. Dieser Moment ist in obiger Abbildung eingefangen. Das sind die «antriebslosen» Phasen von denen ich sprach.
Diese sollen möglichst kurz sein, und für beide Totpunkte gleich liegen. Bei der vorgegebenen Exzenter-Geometrie von Danni erfordert das eine freie Schieberkolbenstangenlänge von ≈22.188 mm (für Modellbauer: 22.2 mm tut’s auch). Herleitung folgt.
Auch wenn es nicht offensichtlich ist, entspricht auch die Exzentersteuerung einem Kurbeltrieb. Und zwar bei «Danni» einem mit 3.0 mm Kurbelradius und einem Hubzapfendurchmesser von 18.0 mm. Die Länge des Exzenterpleuels (nachstehend grün gezeichnet) beträgt von Auge zu Auge 24.0 mm.

Bei horizontaler Kurbel, im folgenden für den UT, und senkrecht nach oben weisendem Grösstradius des Exzenters ist das Exzenterpleuel um
𝛂 = arcsin( 3.0 / 24.0 ) ≈ 7.18°
gegen die Horizontale geneigt. Für die horizontal geführte(!) Schieberbewegung ist nur die auf die Horizontale projizierte Länge des Exzenterpleuels wirksam, nämlich
l› = 24.0 * cos( 𝛂 ) ≈ 23.812 mm
Das Exzenterpleuel hat also aufgrund seiner Nickbewegung in den Totpunkten des Kolbens
24.0 – 23.812 = 0.188 mm
an wirksamer Länge eingebüsst. Aufgrund der übrigen Masse von Danni ergibt sich eine optimale Länge der freien Schieberstange von 22.188 mm. Für Modellbauer : 22.2 mm.

Mit diesen Werten erhält man (bei exakt 90° Phasenwinkel zwischen Horizontallage der Kurbel und Grösstradius des Exzenters) die absolut symmetrischen Steuerzeiten wie in der Eingangsillustration gezeigt, mit Öffnungsbeginn der Druckluftversorgung bei jeweils 5° nach Totpunkt und Öffnungsende bei 5° vor den neuen Totpunkt.
Ich habe weiter festgestellt, dass die Steuerzeiten unerwartet empfindlich schon auf geringfügig erscheinende Abweichungen sowohl von der optimalen Länge der Schieberkolbenstange reagieren, als auch auf geringfügig erscheinende Abweichungen von exakt 90° Phasenwinkel.


Von der Animation zur Simulation
Um diesen subtilen Abhängigkeiten auf die Schliche zu kommen, habe ich meine Interaktive 3D Animation von Danni um Funktionen zur Simulation erweitert. Insbesondere kann man nun, ab Version 1.15
- zwischen Zentralperspektive und Parallelprojektion (mit 6 vordefinierten Ansichten) wählen
- mittels Schieberegler oder Tastatureingabe das Mass der Schieberstangenlänge im Bereich [20.0 mm .. 24.0 mm] variieren
- mittels Schieberegler oder Tastatureingabe eine Winkelabweichung «Vorlauf» [-5° .. +5°] zum 90° Phasenwinkel zwischen Kurbel und Ausrichtung des Exzentergrösstradius addieren
- eine gezielte Kurbelwinkellage vorgeben (Schieberegler oder Tastatureingabe)
Als Öffnungsbeginn bzw. -ende habe ich in einer auf den Schieberkasten gezoomten, parallel projizierten Draufsicht («Top») jeweils die Kurbelwinkelstellungen gewertet, in denen die relevante Kante eines Schieberkolbens gerade die zugehörige Kanalkontur tangiert.
Benchmark!
Nach Einstellung der genannten Werte erhalte ich bisher* eine minimale Drehzahl für einen dauerhaft stabilen Lauf von Danni von 74 U/min, bei einem Druck von 43 mbar. Ich hatte zwar auch schon über dreissig Sekunden hinweg eine Drehzahl von 60 U/min gezählt, aber dann ist Danni doch noch stehen geblieben, was für diesen Rekordversuch leider zur Disqualifikation führte. Das Stehenbleiben kann aber auch auf meine eigenwillige Druckluftversorgung zurückzuführen sein, mit relativ schnell veränderlichem Eingangsdruck in den Präzisionsdruckregler und Betrieb des Präzisionsdruckreglers unterhalb seines spezifizierten Regelbereichs. Da ist für mich also das letzte Wort noch nicht gesprochen. Mit den oben genannten Zahlen liege ich jedenfalls auf der sicheren Seite. Mit noch möglichem Potenzial nach unten.
Es scheint da eine Art von Hysterese zu geben: wenn ich den Luftdruck, bei dem Danni irgendwann stehen bleibt, nur äusserst geringfügig erhöhe und Danni dann einen neuen Start-Schubs gebe, läuft sie an und erhöht dann ihre Drehzahl vergleichsweise signifikant.
Meinen Präzisions-Druckregler SMC IR200-F02 betreibe ich übrigens beim oben angegebenen Rekordversuch bereits ausserhalb seiner Spezifikation, denn er ist mit einen Regelbereich angegeben, der nur bis 50 mbar herunter reicht. Die Druckmessung habe ich mit einem improvisierten und doch hochgenauen, wassergefüllten U-Rohr Manometer aus PVC-Schlauch mit Innendurchmesser 6mm vorgenommen. Jedes (zusätzliche) mbar Druck erhöht die Wasserspiegeldifferenz bei senkrecht stehendem U-Rohr Manometer um 10 mm!
*Die enorme Empfindlichkeit der Steuerzeiten bezüglich unpräziser Fertigung und/oder ungenauer Einstellung lässt die bereits geplante Überarbeitung des Gelenks zwischen Exzenterpleuel und Schieberkolbenstange nochmals dringlicher erscheinen. Auch die Einstellung des 90° Phasenwinkels per Augenmass und grobem Daumen erscheint mir inzwischen als stark optimierungsbedürftig, möchte man das in der Symmetrisierung der Steuerzeiten steckende Potenzial vollständig ausschöpfen.