Vor etwa vierzehn Tagen habe ich meine erste echte Langstrecke mit meinem E-MTB bewältigt. Der Begriff ist zwar nicht definiert, aber 108 km mit >3’300 Meter Aufstieg sollten für die Quali wohl reichen:

Es wird hier nicht um einen touristisch orientierten Reisebericht gehen (den gibt es auch), sondern um die Planung und Durchführung einer derartigen Tour unter energetischen und Reichweite-Aspekten eines konkreten E-MTB.
Energiebedarf
Um eine Masse von rund 105 kg (E-Bike plus Fahrer) im Erdschwerefeld mit g = 9.81 m/s2 um 3’300 Meter in die Höhe zu hieven, wird eine Energie von
ELage = m * g * h ≈ 3’400’000 Nm
benötigt. Natürlich ist es damit nicht getan. Auch der Fahrtwind setzt der Fahrt einen Widerstand entgegen, welcher ebenfalls mit Energieeinsatz überwunden werden muss. Nun habe ich ein E-Bike der 25 km/h Klasse, welches nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h durch Akku und Motor unterstützt wird. Bei schnellerer Fahrt, z.B. bergab, wird keine elektrische Energie verbraucht. Bergauf bin ich hingegen so langsam unterwegs, dass der Fahrtwind einen eher vernachlässigbaren, wenn auch von Null verschiedenen Widerstand beisteuert.
Und dann gibt es noch den Rollwiderstand. Eine Mountainbike-Fachzeitschrift hat hierzu in vergleichenden Untersuchungen unterschiedlicher MTB-Reifen Werte für den Leistungsbedarf zur Überwindung des Rollwiderstands zwischen unter 20 Watt und bis über 40 Watt ermittelt – leider ohne Angabe der zugrunde liegenden Fahrgeschwindigkeit. Beim Reifenhersteller Schwalbe findet sich die folgende Grafik, die den linearen Zusammenhang zwischen Fahrgeschwindigkeit und Leistungsbedarf zur Überwindung des Rollwiderstands schematisch aufzeigt:

Unter der Annahme, dass ich für den eingangs erwähnten Rundkurs die Hälfte der Zeit, d.h.: etwa 4 Stunden lang, bergauf gefahren bin, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit in der Bergauffahrt von ca. 12.5 km/h und einem Leistungsbedarf von (konservativ* gerechnet) ca. 30 Watt, schlägt der Energieaufwand zur Überwindung des Rollwiderstands während dieser Zeit mit ca:
ERollwiderstand = 4[h] * 3600 [sec/h] * 30 [Nm/sec] = 432’000 [Nm]
zu Buche. Die andere Hälfte der Zeit bin ich dann wohl horizontal oder bergab gefahren, wobei zumindest im letzteren Fall die Schwerkraft beteiligt war, den Rollwiderstand zu überwinden.
Für die gesamte Tour muss ich also mit einem Energiebedarf von mindestens(!)
EGesamt = ELage + ERollwiderstand ≈ 3’800’000 Nm
rechnen.
*: diese verlinkte Studie der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen hat sogar mittlere Leistungsbedarfe für die Überwindung von Rollwiderständen verschiedener MTB-Reifen von knapp 80 Watt ermittelt, bei gleicher Geschwindigkeit von 12.5 km/h.
Energievorrat
Mein E-Bike mit Bosch Performance CX Antrieb weist eine Akkukapazität von 625 Wh auf. Das ergibt
EVorrat = 625 [Wh] * 3’600 [s/h] = 2’250’000 [Ws] (Wattsekunden).
Praktischerweise ist 1 Ws = 1 Nm, was die Zahlenwerte von Energiebedarf und Energievorrat ohne weitere Umrechnung unmittelbar vergleichbar macht.
Energiebilanz
Unter der Annahme (die ich in einem Folgebeitrag noch überprüfen werde), dass der Energieinhalt des Akkus von 625 Wh vollständig ausgeschöpft werden kann, sieht man unschwer, dass der Akkuinhalt nur für knapp 60% des Mindest(!)-Energiebedarfs der gesamten Tour reichen würde.
Nun müssen Akku und Motor meinen Luxuskörper nicht alleine in die Höhe wuchten und gegen den Roll- und Luftwiderstand zerren, sondern ich muss einen eigenen Anteil beisteuern. An dieser Stelle oute ich mich sofort: eine derartige Tour schaffe ich nicht in Unterstützungsstufe «Eco», in der ich je 100 aus eigener Muskelkraft eingesetzten Energieeinheiten nur 40% elektrische Unterstützung «on top» erhielte. Also wähle ich die nächst-stärkere Unterstützungsstufe «Tour», in der ich je 100 eingesetzten Energieeinheiten 140% elektrische Unterstützung «on top» erhalte. Ich übernehme also 100 / (100+140) ≈ 42% der Gesamtarbeit als eigenen Beitrag.
Gemeinsam mit den höchstens(!) knapp 60% des Energiebedarfs, die der Akku maximal bereitstellt (s.o.), könnte das theoretisch haarscharf ausreichen.
Tatsächlich habe ich aber auf der eingangs verlinkten Tour bei rund acht Stunden echter Fahrzeit zwischendurch zur Sicherheit zusätzliche drei volle Stunden mit Wiederaufladen des Akkus verbracht. Allerdings wies das Turion-Display bei meiner Rückkehr zu Hause noch zwei Balken Rest-Kapazität auf, also irgendetwas zwischen 20% und 40%. Da hätte es also im Hinblick auf die Gesamtdauer der Tour durch sparsameres Nachladen durchaus Optimierungspotenzial gegeben.
Das werde ich mir in einem oder mehreren Folgebeiträgen zu diesem Thema noch näher anschauen.