Konstruktion eines Slant-Adapters

Ein Slant-Adapter wird in der Panoramafotographie verwendet um zusammen mit einem Fischaugen-Objektiv mit nur mindestens vier Aufnahmen den (nahezu) vollständigen Kugelbereich von 360° x 180° abzudecken.

Sony Alpha 9 an Eigenbau Slant-Adapter; Der Slant-Winkel folgt aus dem Bildseitenverhältnis des Vollformatsensors von 36 mm * 24 mm

Markantes Kennzeichen eines Slant-Adapters ist die gekippte (Slant) Montage der Kamera derart, dass die Sensor- bzw. Monitordiagonale parallel zur Schwenkachse angeordnet ist. Da übliche Fischaugen für das Vollformat einen Bildwinkel von 180° nur in der Diagonalen erreichen, wird durch diese definierte Schrägstellung sichergestellt, dass jedes Einzelbild den Bereich vom Zenit bis zum Nadir abdeckt.

In einem vorigen Artikel hatte ich qualitativ beschrieben, wie man eine Kamera samt Objektiv so positioniert, dass bei einem Schwenk keine parallaktischen Fehler zwischen benachbarten Einzelbildern auftreten. Im vorliegenden Beitrag gilt es, die Position des Kameragehäuses für diese Konstellation exakt zu ermitteln.

Koordinatensystem

Zunächst benötigen wir ein Koordinatensystem, dessen Ursprung ich

  • in der Schwenkachse
  • auf die Oberkante des Panoramakopfs auf dem Stativ

lege. Dort würde ein zu konstruierender Slant-Adapter schliesslich befestigt werden:

  • X-Achse (rot) horizontal nach rechts
  • Y-Achse (blau) parallel zur Optischen Achse nach vorne
  • Z-Achse (grün) senkrecht auf der durch X- und Y-Achse aufgespannten Ebene nach oben. Diese ist identisch mit der Schwenkachse.

Dieses Koordinatensystem soll mit dem Slant-Adapter fest verbunden sein und Schwenkbewegungen mitmachen. Insbesondere verläuft dessen Y-Achse immer parallel zur Optischen Achse (=Blickrichtung).

Koordinatensystem mit Ursprung in der Oberkante des Panoramakopfs

Mit Blick auf die obige Illustration kann man die vorliegende Konstruktionsaufgabe salopp so umfomulieren, dass der gesuchte Panoramaadapter eine ausreichend stabile mechanische Verbindung zwischen der Oberkante des auf dem Stativ montierten Panoramakopfs und dem Stativgewinde des Kameragehäuses bilden muss welche den No-Parallax-Point so fixiert, dass weder die Schnittpunktbedingung noch die Abstandsbedingung zu irgendeinem Zeitpunkt während eines Schwenks verletzt werden.

Wer nicht den kompletten Vorgängerartikel lesen möchte:

Die Schnittpunktbedingung fordert, dass Schwenkachse und Optische Achse immer einen echten Schnittpunkt im Raum bilden müssen.

Die Abstandsbedingung fordert, dass Kamera und Objektiv einen exakten und konstanten Abstand von der Schwenkachse einhalten, so dass der No-Parallax-Point immer im obigen Schnittpunkt verharrt. Die Kamera muss also auf einer exakten Kreisbahn um den No-Parallax-Point geführt werden.

Abmessung Kameragehäuse

Da die Befestigung des Kameragehäuses über dessen Stativgewinde erfolgt, gilt es, die Position zu bestimmen, die das Stativgewinde einnehmen muss, damit sich Kamera/Objektiv und No-Parallax-Point an der richtigen Stelle befinden. Dazu muss zunächst das Kameragehäuse vermessen werden. Nachfolgend am Beispiel einer Sony Alpha 9. Rot eingezeichnet ist jeweils die Lage des Stativgewindes. In der Frontansicht ist gut zu erkennen, dass das Stativgewinde keinen seitlichen Versatz zur Optischen Achse aufweist:

Frontansicht des Sony Alpha 9 Gehäuses (eigene Messungen, Angaben in [mm])

Seitenansicht des Sony Alpha 9 Gehäuses (eigene Messungen, Angaben in [mm])

In diesem Beitrag geht es zwar um Slant-Adapter, die Messungen der benötigten kartesischen X-, Y- und Z-Koordinaten sind aber an einem «herkömmlichen» Adapter leichter vorzunehmen. Die Verlagerung des Stativgewindes bei einer Drehung um die Optische Achse in die Slant-Lage kann im Anschluss durch einfache Umrechnung ermittelt werden.

X-Koordinate

Für die X-Koordinate ist die Sache einfach: hierüber wird die Einhaltung der Schnittpunktbedingung justiert. Damit ist klar, dass die X-Koordinate der Optischen Achse immer gleich Null sein muss. Bei vertikaler Einspannung des Sony Alpha 9 Kameragehäuses muss der Eingang des Stativgewindes damit auf X = +40 mm liegen, siehe obige Vermassung der Frontansicht der A9. Für andere Kameragehäuse muss der Anstand jeweils separat ermittelt werden!

Y-Koordinate

Über die Y-Koordinate wird die Einhaltung der Abstandsbedingung justiert. Dieser Wert muss für jedes verwendete Objektiv separat ermittelt werden!

Für eine Sony Alpha 9 und z.B. ein Sony SEL28F20 habe ich eine Y-Koordinate für den Eingang des Stativgewindesvon ziemlich genau Y = 65.0 mm ermittelt. «Ziemlich genau» bedeutet hier, dass ich trotz Tethering nur mit der begrenzten Auflösung des Monitors der Sony A9 (1’470 x 980 = 1.44 MPix) auf meinem iMac arbeiten konnte, und nicht mit der vollen Sensor-Auflösung von 6’000 x 4’000 = 24 MPix. Meine Hoffnung auf einen Präzisionssprung in den Zehntelmillimeter-Bereich bei Verwendung eines spindelgetriebenen Längsschlittens an meinem Adapter hat sich insofern leider noch nicht erfüllt. Da muss ich wohl meinen Workflow noch an die Limitationen von Hard- und Software angleichen.

Für mein Samyang 12 mm F2.8 ED AS NCS Fisheye habe ich unter ansonsten gleichen Bedingungen eine Y-Koordinate für den Eingang des Stativgewindes von Y = 100.0 mm ermittelt.

Z-Koordinate

Die Z-Koordinate des Eingangs des Stativgewindes ist für die Vermeidung von parallaktischen Fehlern unkritisch, und hat insofern untergeordnete Bedeutung. Trotzdem unterliegt sie gewissen Randbedingungen:

Sie muss mindestens so gross sein, dass weder Kameragehäuse in der Slant-Stellung noch Objektiv in Kollision gerät mit irgendeinem Bestandteil des Slant-Adapters, bzw. bei Schwenks mit irgendeinem Teil des Stativs.

Andererseits wäre ein zu gross bemessener Sicherheitsabstand insofern schädlich, als dass der Adapter dann unnötig «elastisch» und empfindlich gegenüber Schwingungsanregung wäre, mit der Folge von Bewegungsunschärfe, speziell im Zusammenhang mit Belichtungsreihen für DRO- oder HDR-Aufnahmen in der gleichen Schwenkposition.

Man kann das zusammenfassen als: «so gross wie nötig, aber nicht unnötig grösser»!

Von der Kartesischen zur Slant-Position

Ich hatte im Vorgängerartikel illustriert, dass eine reine Rotation um die Optische Achse weder die Schnittpunktbedingung noch die Abstandsbedingung tangiert. Das machen wir uns hier zunutze:

Im herkömmlichen Panorama-Adapter erzielen wir für eine Sony Alpha 9 mit einem Samyang 12 mm F2.8 Fisheye mit den Koordinaten für den Stativgewinde-Eingang von:

  • X: + 40.0 mm
  • Y: -100.0 mm
  • Z: ca. 165.0 mm

ein sehr zufriedenstellend niedriges Niveau von parallaktischen Fehlern beim Stitchen. Dabei enthält die Z-Koordinate bereits einen sehr grosszügigen Spielraum für einen Schwenk der Kamera nach unten, um die Zenit-Position zu fotografieren. Ein derartiger Schwenk wird bei einem Slant-Adapter nicht benötigt.

Bei einer Rotation um die Optische Achse aus einer vertikalen Einspannung in eine Slant-Position für ein Kameragehäuse mit einem Bildsensor-Seitenverhältnis von 3:2 (z.B. Vollformat mit 36 mm x 24 mm) um 33.69° verlagert sich der Eingang des Stativgewindes entlang einer Kreisbahn zur Position:

  • X: 40.0 mm * COS(33.69°) = 33.28 mm
  • Y: -100.0 mm (bleibt unverändert, da Rotation um die Y-Achse erfolgt)
  • Z: 165.0 mm – 40.0 mm * SIN(33.69°) = 142.81 mm (entspricht 22.18 mm tiefer)
Verlagerung des Stativgewindes bei Schwenk von Vertikal- in Slant-Lage

6 Freiheitsgrade

Ein Körper besitzt im Raum 6 Freiheitsgrade: 3 Positions-Komponenten Px, Py, Pz, sowie 3 Rotations-Komponenten Rx, Ry, Rz. Dementsprechend muss ein Slant-Adapter jeden dieser sechs Freiheitsgrade geeignet fixieren, damit bei einem Schwenk keine parallaktischen Fehler zwischen den Einzelbildern entstehen:

Position:

Die erforderlichen X- und Y-Koordinaten für den Eingang des Stativgewindes am Kameragehäuse einer Sony Alpha 9 in Kombination mit einem Samyang 12 mm Fischauge wurden im vorigen Absatz bestimmt. Die Z-Koordinate ist kaum relevant, solange es (nur) um die Vermeidung von parallaktischen Fehlern beim Stitchen geht. Sie wird deshalb vorläufig ignoriert.

Rotation:

Eine evtl. Rotation um die X-Achse lässt die Kamera – von der Horizontalen aus gezählt – nach oben oder nach unten schauen. Um mit einem 180°-Fischauge den Zenit sicher zu schliessen, wird die Kamera beim Slant-Adapter gerne um einen niedrigen einstelligen Winkelgradbetrag aus der Horizontalen nach oben ausgerichtet und in dieser Winkellage fixiert. Z.B. Rx = +3°. Den in einer jeweiligen Situation minimal benötigten Wert müsste man experimentell ermitteln. Er dürfte in gewissem Umfang vom jeweiligen Motiv abhängen, und bei einem stahlblauen Himmel geringer ausfallen als z.B. in der Sixtinischen Kapelle mit Deckengemälden.

Die Orientierung um die Y-Achse entspricht dem Slant-Winkel. Die Unterstützungsfläche für die Unterseite des Kameragehäuses am Slant-Adapters muss unter diesem Slant-Winkel gegenüber der X-Y-Ebene formstabil geneigt sein. Für einen Vollformat-Sensor mit Bildseitenverhältnis von 36 mm x 24 mm (d.h.: 3 : 2) müsste man das Kameragehäuse aus der Landscape-Orientierung um Ry = -atan(3/2) = -56.31° verdrehen. Aus der Portrait-Orientierung entsprechend um dessen 90°-Komplement: Ry = atan(2/3) = 36.69°.

Relativ zum mit dem Schwenkwinkel rotierenden Koordinatensystem muss die Optische Achse immer parallel zur Z-Achse ausgerichtet sein, damit die Schnittpunktbedingung (Optische Achse und Schwenkachse müssen einen Schnittpunkt aufweisen) erfüllt bleibt. Daraus folgt, dass Rz = 0° sein muss.

Ein zu konstruierender Slant-Adapter muss die Fixierung aller sechs Freiheitsgrade von Anfang an in der richtigen Weise «eingebaut» haben, bzw. deren Einstellung ermöglichen und während Schwenkbewegungen unverrückbar fixiert halten.

Real-existierender Prototyp

So sieht mein real existierender Prototyp eines Slant-Adapters aus, der bisher trotz einiger Mängel (s.u.) bereits beachtliche Resultate erzielt:

Zunächst fällt dessen bemerkenswerte Materialsparsamkeit auf. Und dann der Rückgriff auf Materialien und Techniken aus dem Flugzeugmodellbau, welcher nach dem bedauerlichen Wegfall meiner Fertigungsmöglichkeiten im Metallbereich erforderlich geworden war: Sperrholz, Laubsäge, Zwei-Komponenten-Kleber.

Wer die Enstehungsgeschichte dieses Panoramaadapters verfolgen konnte (ich glaube: nur meine Frau), wird unweigerlich dessen Ursprung in einem gefalteten Papierstreifen wiedererkennen, den ich bei dessen Entwurf (ich möchte hier bewusst nicht das Wort «Konstruktion» verwenden, weil doch eine Menge Bauchgefühl involviert war) zur Visualisierung der Abstands- und Winkelverhältnisse verwendet hatte.

Vom Konzept zum Prototyp

Anscheinend war mir bereits in dieser Phase des Projekts, vor ca. vier Jahren, bewusst, dass das Stativgewinde eine «Rücklage» gegenüber der Schwenkachse von etwa 100 mm haben müsste, sowie eine Neigung der Kameragehäuse- Unterstützungsfläche von 33.7° (genauer: 33.69°) gegenüber der Senkrechten aufweisen müsste.

Verdrehsicherung!

Der gravierendste Mangel, den ich erst ganz kürzlich durch Aufleimen eines zusätzlichen Leistenabschnitts als Verdrehsicherung vorläufig abgestellt habe ist der, dass die Einpunktbefestigung des Kameragehäuses am Adapter per Stativschraube zwar die Position (Px, Py, Pz) wunderbar fixiert, jedoch eine ungewollte Verdrehung um die durch die Stativschraube vorgegebene Achse nicht zuverlässig ausschliesst – solange ich diese Schraube nicht extra-fest «anknalle» um so per Reibung eine halbwegs kraftschlüssige Verdrehsicherung zu bewirken.

Anfangs fand ich die Verdrehbarkeit ganz nützlich, um so die gewollt leicht nach oben weisende Ausrichtung der optischen Achse bewirken zu können. Die «richtige» Verdrehung, bei der ich die benötigte Verschiebung in der Arca-Swiss® kompatiblen Klemme quer zur Optischen Achse zwecks Einhaltung der Schnittpunktbedingung ermittelt hatte, hatte ich mir auf meinem Prototyp-Adapter per Bleistiftstrich markiert, oben noch am rechten Ende des Sperrholzstreifens erkennbar.

Aber nachdem ich mir mehrfach einzeilige Panoramen durch unbemerkte Verdrehungen um die Stativachse während eines einzeiligen «Shootings» ruiniert hatte, überwiegen für mich inzwischen doch die Nachteile. Insbesondere, wenn die «location», an der ich ein Kugelpanorama aufzeichnen wollte, nicht ohne Aufwand erneut aufgesucht werden kann, wie z.B. ein Berggipfel (hier zum Glück ohne Störungen).

Die Stativgewindebohrung ist entsprechend dem Slant-Winkel geneigt und verläuft nicht parallel zu einer der drei Achsen des Koordinatensystems. Das hat zur Folge (via Vektorzerlegung), dass eine Verdrehung aus der Horizontalen um das Stativgewinde als Achse nicht nur eine Rotation um die X-Achse (hoch-runter) bewirkt, sondern leider auch eine um die Z-Achse (links-rechts). Hierdurch wird ungewollt die Schnittpunktbedingung verletzt.

Wanderung des No-Parallax-Point bei Verdrehung um Stativgewinde;
grün: Schwenkachse; rot: Optische Achse; blau: No-Parallax-Point (Schematisch)

Bereits 1° Abweichung bei meiner manuellen Ausrichtung am Bleistiftstrich bewirkt bei 100 mm Rücklage des Stativgewindes von der Schwenkachse eine Wanderung des auf der Optischen Achse befindlichen No-Parallax-Points von ca. 1.75 mm – so wird das natürlich nichts mit der Präzision im Zehntelmillimeterbereich. Und 1° unter «Anknall»-Bedingungen sind schnell erreicht oder gar überschritten – abgesehen davon, dass ich meiner optischen Ausrüstung nicht derart Gewalt antun möchte – jedenfalls nicht regelmässig.

Also benötigt man eine formschlüssige Verdrehsicherung. Ich habe mich für deren Anbringung auf der Vorderseite des Kameragehäuses entschieden, um weiterhin den rückseitigen Monitor ausklappen zu können und um weitere Bedienelemente auf der Kamerarückseite nicht zu blockieren.

Abstandsbedingung?!

Der zweite Mangel meines aktuellen Panorama-Slant-Adapters ist, dass eine Fein-Justierung der Abstandsbedingung weder vorgesehen, noch möglich ist. Hier werde ich vermutlich auf eine Art (!) «Kreuzschlitten» zurückgreifen müssen.

Ich werde weiter berichten.

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